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Fachwissen Swiss Medtech Expo 2025

«Die additive Fertigung ist aus der Hype-Phase herausgewachsen»

«Evolution, Revolution oder Illusion?» – so lautet der Titel der Podiumsdiskussion, die Ralf Schumacher an der AM Expo 2025 moderiert. Im Interview blickt er auf die letzten zehn Jahre additive Fertigung zurück und erklärt, warum sich ein Besuch der Diskussion lohnt.

Swiss Medtech Expo
Luzern, Schweiz

Der Titel «Evolution, Revolution oder Illusion?» bildet den Rahmen einer hochkarätig besetzten Podiumsdiskussion an der AM Expo 2025. Moderator Ralf Schumacher spricht im Interview über technologische Meilensteine, aktuelle Herausforderungen und die Themen, die er mit seinen Gästen auf der Bühne vertiefen möchte.

Ralf Schumacher, die additive Fertigung hat in den letzten Jahren viel Aufmerksamkeit erhalten – manche sprechen von einer industriellen Revolution, andere sehen viele Ankündigungen kritisch. Wie ordnen Sie die aktuelle Phase der Technologie ein?

Die Technologie ist aus der Hype-Phase herausgewachsen. Wir befinden uns heute in einer Phase des technologischen Realismus: Viele überzogene Erwartungen haben sich relativiert, und es zeigt sich, welche Anwendungen wirklich tragfähig sind. Einige Anbieter und Ansätze verschwinden vom Markt, andere setzen sich durch. Ich sehe darin eine natürliche Entwicklung, wie wir sie auch bei anderen Technologien erlebt haben, sei es beim Internet in den 90er-Jahren oder aktuell bei der künstlichen Intelligenz. Die Branche konsolidiert sich, die Euphorie ist der Realität gewichen.

Wenn Sie die letzten zehn Jahre der additiven Fertigung Revue passieren lassen, was waren für Sie die markantesten Entwicklungen oder Meilensteine?

Ein zentraler Meilenstein war sicher der Wandel vom Rapid Prototyping zur additiven Fertigung als vollwertige Fertigungstechnologie. Anfangs ging es vor allem darum, schnell Prototypen herzustellen, heute sprechen wir von Bauteilen mit Seriencharakter. Auch die Entwicklung ganzer Prozessketten war entscheidend: Design, Datenaufbereitung, Fertigung, Nachbearbeitung – all das muss zusammenspielen. Hinzu kamen Fortschritte bei Materialien, insbesondere Metallen, sowie wichtige Normierungs- und Qualitätssicherungsprozesse. Nicht zuletzt spielt die Ausbildung eine Rolle. Es ist zentral, dass junge Fachkräfte mit der Technologie vertraut gemacht werden. In vielen Studiengängen und Berufsausbildungen ist der 3D-Druck heute fester Bestandteil.

Wo wurde Ihrer Meinung nach der Begriff «Revolution» zurecht verwendet – und wo war es vielleicht doch eher eine «Illusion»?

Eine Revolution war die additive Fertigung sicher in gewissen Branchen wie der Medizintechnik, insbesondere bei patientenspezifischen Implantaten, Knochenmodellen oder Operationshilfen. Auch in der Dentaltechnik und bei Hörgeräten hat die Technologie Prozesse fundamental verändert. Illusionen gab es hingegen bei der Erwartung, dass additive Fertigung klassische Verfahren wie Giessen oder Fräsen in der Serienproduktion ablösen würde. Auch die Hoffnung, dass man zu Hause alles selbst drucken kann oder dass durch additive Fertigung automatisch Kosten gesenkt werden, hat sich so nicht erfüllt. Revolutionär ist allerdings das Konzept der dezentralen Fertigung, etwa direkt im Spital oder in kleineren Einheiten näher am Kunden. Das eröffnet ganz neue Möglichkeiten für die Gestaltung von Lieferketten und Geschäftsmodellen.


Über Ralf Schumacher

Ralf Schumacher ist Maschinenbauingenieur mit Spezialisierung in Verfahrenstechnik. Seit über 25 Jahren beschäftigt er sich mit der additiven Fertigung, zunächst in der Forschung und Lehre an der Hochschule für Life Sciences der FHNW, später als Gründer mehrerer Startups im Bereich 3D-Druck und Medizintechnik. Heute begleitet er als Experte und Unternehmer die Entwicklung der Technologie mit einem besonderen Fokus auf Anwendungen im medizinischen Umfeld.


Wo liegen derzeit die grössten Herausforderungen für die Weiterentwicklung der additiven Fertigung?

Die grosse Herausforderung bleibt die Wirtschaftlichkeit, also die Kosten pro Bauteil. Hier braucht es neue Ansätze, etwa durch Parallelisierung der Prozesse oder optimierte Skalierbarkeit. Auch der Know-how-Transfer ist weiterhin ein Thema: Unternehmen müssen die Technologie als Teil eines Gesamtsystems verstehen, nicht nur als Einzelverfahren. Die Nachhaltigkeit wird ebenfalls wichtiger, zum Beispiel die Frage, wie energieintensiv die Pulverherstellung ist oder wie ressourcenschonend ganze Prozessketten wirklich sind. Und schliesslich sehe ich eine Chance in der nächsten Generation von Fachkräften: Junge Leute, die additive Fertigung nicht als Modeerscheinung, sondern als realistische Option sehen, bringen oft neue Impulse in Unternehmen.

Was dürfen die Besuchenden von der Podiumsdiskussion an der AM Expo erwarten – worauf dürfen sie sich freuen?

Die Diskussion wird ein ehrlicher Rückblick auf die vergangenen zehn Jahre und zugleich ein realistischer Ausblick in die Zukunft. Auf dem Podium sitzen Persönlichkeiten, die seit Jahren tief in der Praxis verwurzelt sind: aus der Medizintechnik, der Materialentwicklung, der Luftfahrt oder der Zulassung. Es wird ein ehrlicher Austausch von Erfahrungen, Erfolgen und auch Rückschlägen. Wer fundierte Einschätzungen und persönliche Einblicke sucht, wird auf seine Kosten kommen.

Gibt es Fragen, die Sie den Podiumsgästen besonders gerne stellen möchten – oder bei denen Sie mit kontroversen Antworten rechnen?

Mich interessiert besonders: Was war der grösste Irrtum, den man vor zehn Jahren hatte? Wo glaubte man, additive Fertigung stehe heute, und was ist tatsächlich eingetroffen, wo gab es Ernüchterungen? Auch die Frage der Nachhaltigkeit wird spannend: Wie ehrlich gehen wir mit den Auswirkungen der Technologie um? Und: Ist additive Fertigung inzwischen wirklich in der Breite angekommen oder bleibt sie eine Speziallösung für ausgewählte Anwendungen? Ich erwarte da durchaus unterschiedliche Meinungen, was die Diskussion spannend macht.

Wem würden Sie den Besuch der Diskussion besonders empfehlen – und warum?

Im Grunde allen, die sich mit additiver Fertigung auseinandersetzen, egal ob als Anwenderin, Entscheider oder Neugierige. Besonders empfehlenswert ist die Diskussion für jene, die vielleicht vor einigen Jahren erste Erfahrungen gesammelt haben und inzwischen skeptisch geworden sind. Für sie bietet sich die Gelegenheit, mit uns gemeinsam zurückzublicken, aus Fehlern zu lernen und vielleicht dem Thema nochmals eine neue Chance zu geben.

mehr Informationen zur Podiumsdiskussion

Ihre Kontaktperson

Sara Bussmann

Sara Bussmann

Messeleiterin

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